- ZÜCHTER SEIT 1980 -
Als vor ca. 2000 Jahren die Heere der Römer vornehmlich über den St. Bernhard Pass in Helvetien, dem heutigen Schweizer-Land, eindrangen, führten sie auch Viehherden und Hunde mit. Ihre Hunde waren ursprünglich aus Asien stammende leichte und schwere Doggen, von denen sie die leichteren als Treiber der Viehherden und die schweren als Wächter für die vielen Handels-, Pass- und Militärstationen verwendeten. Die römischen Hunde blieben dann im Lande zurück. Sie vermehrten sich und wurden Stammtiere der heutigen schweizerischen Sennenhunde und des St. Bernhards Hundes. Zweitausend Jahre lang dienten die Appenzeller und die Entlebucher Hunde den Hirten und Sennen und Bauern des Berggebietes als Hüter und Treiber der Schaf- und Viehherden wie auch als Wächter und Beschützer ihrer Gehöfte und Heimeten. Im Flach Lande bewachten der schwere Berner und der Große Schweizer Sennenhund die Höfe und zogen als geborene Zughunde die vielen kleineren Fahrzeuge der Bauern und der milchwirtschaftlichen Betriebe. So waren die Sennenhunde und der St. Bernhards Hund zweitausend Jahre lang die einzigen Hunde des Schweizer-Landes vom Bodensee bis zum Genfersee.
Etwa um das Jahr 1840 erfolgte eine starke Einfuhr von deutschen, englischen und anderen Hunden in diese Gegend. Es waren der Deutsche Schäferhund, Rottweiler, Schnauzer, aber auch ungarische und andere Hirtenhunde aus dem Balkan, allmählich auch englische Terriers, vielfach Tiere von edler Abstammung und mit Stammbäumen. Es drang in die Schweiz aber auch ein Heer allerhand Mischlinge ein, die man mit den alten, heimischen Rassen kreuzte, angeblich zwecks Veredlung und Blutauffrischung. Fälschlicherweise schob man die Jahrtausendelang vorzüglich durch gezüchteten, bodenständigen Schweizer Hunde als gemeine, nichts wertige Bauernkröte ohne Rasse und Stammbaum verächtlich zur Seite und bestaunte die Fremdlinge mit echten und falschen Stammbäumen als Wundertiere. In kurzer Zeit verschwanden deshalb die heimischen Hunde fast vollständig aus dem kinologischen Bild des Landes. Es kam so weit, dass die Appenzeller, Entlebucher, Berner und Großen Schweizer Sennenhunde in kleiner Zahl in abgelegenen Bergtälern unerkannt weiterlebten, bis sie um das Jahr 1900 von Hundekennern und Forschern als uralte Rassehunde erkannt und wieder zu Ehren gezogen wurden. Es waren Forstmeister Max Siber in Winterthur, Kunstmaler Richard Strebel aus München und vornehmlich Professor Albert Heim, Zürich, ein Gelehrter und Geologe mit Weltnamen.
Albert Heim beschrieb die alten Bauernhunde, nannte sie Schweizer Sennenhunde und gab ihnen, den vier Rassen entsprechend, die Namen Appenzeller, Entlebucher, Berner und Große Schweizer Sennenhunde. Er stellte sie an den schweizerischen Hundeausstellungen vor und führte sie in die schweizerische und die internationale Kinologie ein.
Die ältesten bekannten kinologischen Mitteilungen über den Entlebucher Sennenhund sind von E. Bauer in Aarburg im Jahre 1889 im Schweizer Zentralblatt für Jagd und Hundeliebhaber veröffentlicht worden. Auf Anregung von Forstmeister Silber wies E. Bauer in seinem Aufsatz auf den Entlebucher Sennenhund hin, der als selbständiger Rassehund würdig sei, als weiteres Glied den bisher bekannten schweizerischen Hunderassen beigefügt zu werden. Er schrieb damals:
"Am besten bekannt und geschätzt ist der Entlebucherhund von Hirten und Kleinviehhändlern. Er übernimmt in unserem Ländchen voll und ganz die Rolle des Schäferhundes. Die Größe entspricht derjenigen eines kleinen Laufhundes und bewegt sich also um 40 bis 50 cm Schulterhöhe. Die Gestalt ist im Verhältnis zur Größe kräftig. Der Rumpf ist walzenförmig mit gerader Rückenpartie. Auf kurzem Hals sitzt ein mittelschwerer Kopf mit breitem Schädel, aber leichter Schnauze. Der Behang des mittelgroßen Hundes würde in Form und Größe dem eines Dackels entsprechen. Die Läufe sind schlank und gerade, die Pfoten rund, klein und kräftig. Afterklauen sind nicht ausgeschlossen, aber selten. Die Rute ist stark an der Wurzel, mittellang, mit ziemlich starker Bürste und wird, wenn nicht kupiert, vielfach über die Keulen geschlagen. Die Farbe ist vorwiegend schwarz mit semmelfarbenen Abzeichen, doch sind auch rehfarbene Exemplare nicht selten. Die Augenflecken fehlen niemals. Das Gebiss ist regelmäßig, stark ausgebildet und blank. Der Entlebucher hat ein ungemein lebhaftes Temperament, ist unermüdlich und sein nussbraunes, intelligentes Auge späht beständig nach den Wünschen seines Meisters, wie er denn auch einen ausgeprägten Sinn für Begleitung von Hirten und Herde hat. Wir hatten letzten Sommer Gelegenheit, die große Intelligenz dieser Hunde bei abnormer Witterung und im Dienste der Sennen im Hochgebirge zu bewundern. Auf einen Wink des Sennen brachte solch ein Hund ohne Lärm und Biss die vom unzeitigen Schnee geblendeten Rinder auf ihren Platz oder Weg. Die Älpler wissen denn auch diese Hunde zu schätzen und halten sie gut."
Dieser Aufsatz blieb lange Zeit in der Mappe der Redaktion liegen. Sie entschuldigte sich damit, dass sie den beschriebenen Entlebucherhund leider gar nicht kenne. Gönnern und Freunden dieses Hundes biete sich eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihn an der kommenden internationalen Hundeausstellung in Bern vorzuführen. Doch an der Ausstellung in Bern wurde überhaupt kein einziger Sennenhund ausgestellt
Im Jahre 1914 gab Prof. Albert Heim eine Schrift "Der Schweizer Sennenhund" heraus, in der er die vier Sennenhunde Rassen in meisterhafter Weise beschrieb. Vom Entlebucher Sennenhund berichtet er darin folgendes:
"Im Entlebuch, im Gebiet der Kleinen Emme und der Entlen im Kanton Luzern, ferner im Tal-gebiete der Großen Emme im Kanton Bern und im Aaretal, in der Gegend von Riggisberg und Bern wurde früher häufig ein hübscher, lebhafter, kleiner Bauernhund mit schwarzer Grundfarbe und gelben und weißen Abzeichen gehalten. Es war der Entlebucher Sennenhund, den man nach dem Tal des Schärlingbaches, eines Nebenbaches der Großen Emme, vielfach auch 'Schärling' benannte. Die häufigsten Bezeichnungen waren 'Länder' oder 'Chüherhündli'. Als aber Franz Schertenleib, auf die Rothöhe bei Burgdorf, der im Kanton Bern seinerzeit die letzten Rassen-reinen Berner Sennenhunde und Großen Schweizer Sennenhunde gefunden hatte, im Jahre 1912 in den genannten Gegenden nach Entlebucher Sennenhunde Ausschau hielt, konnte er nur noch wenige reinrassige Tiere finden. Fast alle einheimischen Hunde waren absichtlich mit Deutsche Schäferhunden verbastert worden."
Alberz Heim lernte den Entlebucher Sennenhund im Stockhorngebiet kennen, wo ein solches Hündlein mit großer Sicherheit 300 Schafe hütete. In seinem Heft "Die Schweizer Sennenhunde" schrieb Heim dann:
"Unsere Hoffnung, an der Ausstellung 1907 in Luzern, dem Heimatkanton des 'Entlebuchers', solche neben den 'Bernern' und 'Großen Schweizern' zu sehen, ging leider nicht in Erfüllung. Dagegen nahm sich Herr Franz Schertenleib ihrer an und führte uns 1913 in Lagenthal zum ersten Mal 'Entlebucher' in einer Ausstellung vor. Es waren deren vier Stück. Seither hat er gute Nachzucht."
Schertzenleib bracht im weiteren einige "Entlebucher" an die Schweizer Landesausstellung 1914 in Bern, die von Prof. Heim gerichtet und ins schweizerische Hundestammbuch, Band XVII, eingetragen wurden.
Im August 1914 brach der Weltkrieg aus, mit dem auch manches kinologische Unternehmen zerstört wurde. Vom Entlebucher Sennenhund hörte man bald nichts mehr.
Im Jahre 1924 veranstaltete die neu gegründete Ortsgruppe St. Gallen des Klubs für Berner Sennenhunde eine Sonderausstellung für Schweizer Sennenhunde, an welcher Appenzeller, Berner und auch Große Schweizer Sennenhunde in guter Zahl erschienen. Vom "Entlebucher" aber war nichts zu sehen.
Die Freude an den prächtigen Schweizer Sennenhunden bewog mich, den verloren gegangenen "Entlebucher" in seiner Urheimat aufzusuchen. Ich ließ im "Entlebucher" in Escholzmatt ein Inserat erscheinen: "Gesucht Entlebucher Sennenhund mit Stummelschwanz."
Ich erhielt eine Menge Zuschriften und Fotos von allerhand Mischlingen, die alles, nur keine "Entlebucher" waren. Am meisten freute mich der Bauer, der mir schrieb, er habe einen echten, rassigen Entlebucher Stummelschwanz besessen; er habe ihn aber totgeschlagen und gegessen, doch stehe mir seine Haut noch zur Verfügung, die er mir gegen eine bescheidene Entschädigung von 20 Franken überlasse. Ich kam damals zur Überzeugung, dass der Entlebucher Sennenhund endgültig ausgestorben sei. An der Schweizer landwirtschaftlichen Ausstellung in Bern gelangte ich zum ersten Mal nach Burgdorf, wo auf der Rothöhe Franz Schertenleib ein Kurhaus mit Landwirtschaft besaß. Er hielt damals eine Anzahl Kurgäste, 0 Sorten Zwerghühner, einige Kühe, Schweine, etwa 40 Berner Sennenhunden und, an der Kette im Stall angebunden, einen kleinen "Entlebucher". "Tun die Hunde den Kurgästen nichts?", frage ich, und Schertenleib antwortete: "Die Berner sind alles gutmütige Tiere, aber den kleinen 'Entlebucher' an der Kette darf niemand anrühren. Ich lasse ihn nachts los und dann kann kein Mensch mehr den Berg herauf." Es war ein hübscher, schwarzer Hund mit gelben und weißen Abzeichen und Stummelschwanz. Auf einer Alp bei Brienz fand Schertenleib noch einige weitere "Entlebucher", die er kaufen konnte. Im Sommer 926 schenkte mir Schertenleib seine vorzügliche Entlebucher Sennenhündin, das Bebli von der Rothöhe, die er beim allerletzten bekannten reinrassigen Entlebucher Stummelschwanz von Hess-Tanner in Koppigen bei Bern hatte decken lassen. Babeli warf fünf gute Junge und wurde später nochmals vom gleichen Rüden gedeckt. So hatten wir St. Galler bald ein Schärlein lustiger "Entlebucher" beisammen und konnten es wagen, einen Klub für Entlebucher Sennenhunde zu gründen, mit dem Zwecke, den Hund reinrassig zu züchten und ihn im Lande herum zu verbreiten. In allen meinen jahrelangen Bestrebungen um dieses schöne Unternehmen war es der St. Galler Kaufmann Paul Egger, ein großer Tierfreund und ausgezeichneter Hunde- und Pferdekenner, der uns jederzeit seine tatkräftige Unterstützung angedeihen ließ.
Quellennachweis:
Der Entlebucher Sennenhund
Herausgeber: Schweizer Klub für Entlebucher Sennenhunde